Geschichte 1
Geschichte der Maria-Magdalenen-Kirche
Eng mit den Herzögen verbunden
Die Geschichte der Kirchengemeinde Lauenburg ist eng mit dem Herzogsgeschlecht der Askanier verbunden. Die Maria-Magdalenen-Kirche wurde von Herzog Albrecht I. zum Andenken an seinen Sieg in der Schlacht bei Bornhöved am Maria-Magdalenen-Tag, dem 22. Juli 1227, gestiftet. Diese Angaben finden ihre Bestätigung in zeitgenössischen Quellen, denn im Zehntregister von 1230 werden weder Stadt noch Parochie Lauenburg erwähnt. Auf dem späteren Stadtgebiet lagen die drei Dörfer Gottschalksdorf (villa Godescalci), Volkmarsfeld und Albrechtshop, die zum Kirchspiel Lütau gehörten. Die Gründung des Kirchspiels, welche mit der Gründung der urkundlich erstmals 1260 erwähnten Stadt einhergegangen sein dürfte, erfolgte aber bald darauf, denn 1243 wird erstmals ein Pfarrer (plebanus) namens Burchardus in Lauenburg erwähnt. Um diese Zeit befand sich die Kirche vermutlich noch im Bau; zwar wird sie in die Zeit um 1300 datiert, aber die Mischbauweise aus Feld- und Ziegelsteinen ist seit der Mitte des 13. Jahrhunderts im Gebiet des Herzogtums Lauenburg üblich.
Kirche unter Herzog Franz II. prachtvoll ausgestaltet
Die Kirche präsentiert sich heute als einschiffiges Langhaus, wobei sich der ursprüngliche Raum wegen späterer Umbauten nicht mehr rekonstruieren lässt. Um 1700 wurde eine vermutlich flache Decke durch ein Tonnengewölbe ersetzt, und auch die Fenster sind nicht mehr in der ursprünglichen Form. Die prägnanteste Umgestaltung erfuhr die Kirche jedoch unter Herzog Franz II. (Regent 1581 - 1619), der 1585 mit der Kirchenordnung endgültig die Reformation im Herzogtum Lauenburg einführte und die Stadt Lauenburg zum Sitz des Generalsuperintendenten machte. Auf ihn gehen das Nord- und Südportal aus Sandstein aus dem Jahr 1598/99 zurück.
Besonders das Südportal als ehemaliger Haupteingang ist durch Pfostenpilaster, Architrave, Gebälk und Aufsätze mit Inschriften und dem Doppelwappen des Herzogspaars aufwändig im Stil der niederländischen Renaissance gestaltet. Den oberen Abschluss bildet eine Figur von Christus als Weltenherrscher.
Die bedeutendste Baumaßnahme des Herzogs war jedoch die Anlage der Fürstengruft, über der sich der dreiseitig geschlossene Chor zurück erhebt. Ursprünglich war der Chor mit zwei Kreuzrippengewölben überwölbt, die aber 1827 durch die jetzige flache Decke ersetzt wurden. Von der prunkvollen Ausgestaltung des Chors ist heute bis auf die Kniefiguren des Herzogspaars, der auf von allegorischen Frauenfiguren getragenen Säulen sitzenden Evangelisten und einigen Wappentafeln nichts mehr erhalten. Einige weitere Bruchstücke befinden sich im Lapidarium des Lauenburger Schlossturms. Diese Figuren gehörten einst zu einem Grabdenkmal, das der Bildhauer Robert Coppens aus Lübeck 1599 geschaffen hatte.
Foto oben: Verlorene Holztafel am einstigen sog. Archidiakonats-Haus aus Fachwerk, heute Teil des Elbschifffahrts-Museums.
Unten: Einst Haupteingang: Südportal von 1598 mit Wappen und Inschrift in Formen der Renaissance.
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Innenraum im 19. und 20. Jahrhundert dreimal verändert
Dieses Monument, das Grabdenkmal und Ruhmeshalle eines selbstbewussten Renaissancefürsten war, muss einen prachtvollen Anblick, vergleichbar dem ebenfalls von Robert Coppens geschaffenen Grabmal für Herzog Christoph im Schweriner Dom, geboten haben. 1827 aber ließ der damals amtierende Pastor Uthoff das Grabmonument und den Schnitzalter aus dem Chor entfernen und beauftragte den Landesbaumeister Timmermann mit einer Umgestaltung des Chorraums im klassizistischen Stil. Doch nur vier Jahrzehnte später erfolgte eine Veränderung im neugotischen Stil, als im Chor ein hölzerner Altar aufgestellt wurde und das Gestühl dem Zeitgeschmack entsprechend dunkel gestrichen wurde.
Als nach dem Zweiten Weltkrieg eine grundlegende Sanierung der durch den Artilleriebeschuss im April 1945 stark in Mitleidenschaft gezogenen Kirche anstand, wurde das historisierende Inventar und die obere der beiden Emporen jedoch wieder entfernt. Seitdem präsentiert sich der Innenraum in der heutigen Form, wobei bei nachfolgenden Renovierungen durch den Farbanstrich eine merkliche Aufhellung erzielt wurde. Seit der Renovierung im Jahr 2002 sind Gestühl und Emporen in einem hellen Ockerton und Hellgrau mit roten Akzenten gehalten.
Bild oben: Zeichnung des abgebrochenen Grab-Monumentes für Herzog Franz II. im Hochchor.
Unten: So sah es in unserer Kirche 1959 aus: Altar mit Jesusbild (jetzt in Friedhofskapelle), Kruzifix an Nordwand, Schrift an Zugbalken.
Mahnung zum gottesfürchtigen Leben: Vergänglichkeitsbild
Trotz der vielen Veränderungen haben etliche Kunstgegenstände bis zum heutigen Tag überdauert, darunter auch das nahezu einmalige Gemälde "Die Lust der Welt", das auch als Vergänglichkeitsbild bezeichnet wird und in die Mitte des 15. Jahrhunderts datiert wird. Auf der Vorderseite ist ein reich geschmücktes Paar abgebildet, auf der Rückseite erscheinen dieselben Personen im Zustand der Verwesung. Sie sind von Spruchbändern umgeben, die zu einem gottesfürchtigen Leben mahnen. Neueren Erkenntnissen zur Folge handelt es sich um ein Porträt des Herzogs Johann IV. von Sachsen-Lauenburg (Regent 1463 - 1507), das vermutlich anlässlich seiner Eheschließung mit Margaretha, einer Tochter des Kurfürsten Friedrichs II. von Brandenburg, angefertigt wurde, später aber nicht mehr benötigt und umfunktioniert wurde.
Fotos: Klappbare Tafeln an der Südwand links neben Portal, oben Seite „lebendig“, unten Seite „tot“.
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Doppelfiguriger Marienleuchter und andere Kostbarkeiten
Aus den fünf Leuchtern, die alle von Lauenburger Bürgern oder Handwerksämtern gestiftet wurden, ragt der doppelfigurige Marienleuchter aus dem letzten Drittel des 15. Jahrhunderts heraus. Auf der Seite zum Altar hin ist Maria mit Jesuskind als Himmelskönigen auf der Mondsichel dargestellt, auf der Rückseite hingegen befindet sich eine Darstellung von Anna Selbdritt. Gerahmt wird die Figurengruppe durch ein Hirschgeweih. Dieser Leuchter hing ursprünglich im Versammlungssaal der Kalandbruderschaft und wurde nach der Auflösung des Kalands im 16. Jahrhundert vom Schifferamt der Kirche gestiftet. Ein weiterer gotischer Marienleuchter aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts hängt neben der Orgel. Auch er zeigt Maria im Strahlenkranz. Allerdings ist seine Herkunft unbekannt, denn er wurde 1629 vom Schusteramt gestiftet und erhielt dabei auch seinen barocken Untersatz.
Eine besonders feine Arbeit ist das Alabaster-Epitaph für Peter Weltzin (gest. 1590), das Robert Coppens, der damals in Lübeck wirkte, zugeschrieben wird. Ebenfalls aus einer Lübecker Werkstatt stammt das auf das ausgehende 15. Jahrhundert datierte Kruzifix, das ursprünglich zu einer Triumphkreuzgruppe gehörte. Die Bronzetaufe wurde 1466 von Cord Vribusch in Lüneburg gegossen. Diese Kesselfünte ruht auf vier Trägerfiguren und ist mit Reliefplaketten mit Darstellungen aus dem Marienleben und einer Umschrift verziert.
Foto oben: Leuchter mit je einer Madonna auf Vorder- und Rückseite im Strahlenkranz, gestiftet vom Schuster-Amt.
Unten: Epitaph aus Alabaster für Peter Weltzin (1590) an Südwand unter Orgel. Die vielen Risse zeugen vom Krieg: Das Relief fiel von der Wand und zersprang in hunderte Stücke.
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Orgelprospekt aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges
Ein besonderes Schmuckstück ist der Orgelprospekt aus den ersten Jahren des Dreißígjährigen Kriegs. Auf dem Fürstentag von 1625, als auf dem Lauenburger Schloss König Christian IV. von Dänemark zum Oberfeldherren des Niedersächsischen Kreises gewählt wurde, wurde unter den hohen Gästen eine Sammlung für eine neue Orgel veranstaltet, so dass schon zwei Jahre später trotz der notvollen Zeit ein stattliches Instrument bei dem Hamburger Orgelbaumeister Hinnerk Kröger in Auftrag gegeben werden konnte. Das eigentliche Orgelwerk ist in den folgenden Jahrhunderten verschiedentlich renoviert und erneuert worden. Das jetzige Werk aus der Lübecker Werkstatt Kemper wurde 1961 eingebaut.
Prächtiger barocker Orgelprospekt versteckt altersschwaches Instrument von 1961
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Heutiger Kirchturm ist der dritte
Eine Stadtdarstellung aus dem 16. Jahrhundert zeigt einen schlanken Turm mit einem gotischen Spitzhelm. Um 1700 wurde vermutlich wegen Baufälligkeit der obere Teil abgetragen und auf dem verbliebenen Stumpf des Turmschafts ein Holzschindelhelm aufgesetzt, der das Kirchenschiff nur wenig überragte. Als dieser Holzturm am Ende des 19. Jahrhunderts reparaturbedürftig wurde, entschied sich die Kirchengemeinde für den Neubau eines Kirchturms im neugotischen Stil. Doch auch dieses Bauwerk erfuhr bald wieder eine Veränderung, denn im Frühjahr 1945 wurde der nur leicht beschädigte Helm abgetragen, weil die Biberschwanz-Pfannen teilweise zum notdürftigen Abdichten des durch Artilleriebeschuss teilweise zerstörten Kirchendachs verwendet werden sollten, obwohl sie nicht passten. Erst 1992 wurde die Turmspitze mit neuen Hölzern wieder hergestellt, erhielt nun aber anstelle der früheren glasierten Pfannen eine Kupferabdeckung.
Foto rechts: Kirchturm von 1902 in neogotischen Formen und wieder hergestelltem spitzen Helm mit Kupferdach von 1992
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Die Gemeinde wächst: Neues Gemeindezentrum entsteht
Ab den 1950er Jahren entstand im Westen der Stadt ein großes Neubaugebiet, das bald nach einem kirchlichen Mittelpunkt verlangte.1968 wurde der Gemeindebezirk West geschaffen, zu dem auch die im selben Jahr nach Lauenburg eingepfarrte Kapellengemeinde Schnakenbek gehört. An der Dresdner Straße wurde ein neues Gemeindezentrum mit einem Gemeindehaus und einer Kirche geplant, wovon jedoch 1970 nur das Gemeindehaus verwirklicht wurde. Dieses Gemeindehaus, 1980 in Dietrich-Bonhoeffer-Haus umbenannt, wurde 2013/2014 zu einem Familienzentrum erweitert. Unter einem Dach sind dort die Kindertagesstätte und Räume für die Kurse der Familienbildungsstätte sowie für die Gruppen und Kreise der Kirchengemeinde vereint.
Fotos rechts: Haus der Generationen - Dietrich-Bonhoeffer-Haus an Dresdner Straße, Altbau versteckt sich links, Turm rechts
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Friedhof zur Oberstadt verlegt
Jahrhunderte lang befand sich der Friedhof rund um die Kirche, doch gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde der Platz so knapp, dass am damaligen Hamburger Fuhrweg (heute Bundesstraße 5) in einem Gebiet, das damals nahezu unbesiedelt war, ein neuer Friedhof angelegt wurde. Weil bei Beerdigungen der Weg von der Kirche zur Grabstätte nicht nur weit, sondern auch steil und beschwerlich war, wurde aus den Mitteln der Stiftung des Bürgermeisters Johann Joachim Nienau 1809 eine Friedhofskapelle errichtet. Der achteckige, klassizistische Bau hatte ursprünglich langrechteckige Fenster, die im späten 19. Jahrhundert durch spitzbogige ersetzt wurden. Bemerkenswert ist der Dachknauf mit seiner Auferstehungssymbolik: Über der Weltkugel erhebt sich eine Schlange als Sinnbild der Sünde und des Todes, die durch den als Morgenstern symbolisierten Christus besiegt wird.
Friedhofs-Kapelle, Mauerwerk, Giebelzier, Tür sind klassizistisch, Fenster unpassend gotisiert
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Kapelle Schnakenbek gehörte lange zu Artlenburg
Zum 1. Januar 1968 wurde die bis dahin zu der hannoverschen Kirchengemeinde Artlenburg gehörende Kapellengemeinde Schnakenbek nach Lauenburg eingepfarrt.
Im Ratzeburger Zehntregister von 1230 gehörte Schnakenbek zur Parochie Lütau, später bekam das Dorf dann eine eigene Kapelle, den Vorgängerbau der heutigen St.-Johannis-Kapelle. Noch vor 1581 wurde Schnakenbek dem Kirchspiel Artlenburg zugeordnet. Der Grund dafür mag der wegen der Fährverbindung kürzere und bequemere Weg gewesen sein. Allerdings waren die Verbindungen nach Lütau nicht vollends abgebrochen, denn die Schulaufsicht lag bis zum Ende des 19. Jahrhunderts weiterhin beim Lütauer Pastor. Nachdem die Fährverbindung zwischen Artlenburg und Schnakenbek 1964 eingestellt worden war und die Artlenburger Kirche nur noch über einen zwölf Kilometer langen Umweg über die Lauenburger Elbbrücke erreicht werden konnte, wurde die Kapellengemeinde Schnakenbek nach längeren Verhandlungen zwischen der Hannoverschen und der Schleswig-Holsteinischen Landeskirche schließlich nach Lauenburg eingepfarrt. Seitdem besitzt sie den Status einer Kapellengemeinde mit eigenem Kapellenvorstand.
Kapelle im 19. Jahrhundert neu gebaut
Die erste urkundliche Erwähnung der St.-Johannis-Kapelle erfolgte im Visitationsbericht von 1581, aber die Kapelle dürfte älter sein. Im 19. Jahrhundert war sie so baufällig geworden, dass sie 1854/55 durch den heutigen Bau ersetzt wurde. Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die St.-Johannis-Kapelle in Folge von Artilleriebeschuss stark beschädigt, aber die Wiederherstellungsarbeiten erfolgten erst zwischen 1953 und 1957. Von der Ausstattung der alten Kapelle wurden Figuren eines spätgotischen Schnitzaltars übernommen, die 1962 in der heutigen Anordnung im Altarraum arrangiert wurden.
Foto oben: Kapelle St. Johannis in Schnakenbek im Schnee.
Unten: Advent in St. Johannis in Schnakenbek, Schnitzfiguren links auf Tisch und an Wand sowie auf Altar.
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Dieser Text ist ein Auszug aus dem im Dezember 2016 neu erschienenen Buch über den Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg einschließlich aller Kirchengemeinden: „Salz der Erde - Licht der Welt“ von Dr. Claudia Tanck (Text) und Manfred Maronde (Fotos), Seiten 369 - 375. Dort sind andere Bilder als hier abgedruckt. Mehr Informationen zum Buch finden Sie auf der Internet-Seite der Autorin, www.tanck.info.
Möchten Sie noch mehr über Baugeschichte und Ausstattung wissen? 1993 wurde in der Chronik „Lauenburg/Elbe“ eine Beschreibung von Horst Lux veröffentlicht mit dem Titel „Die Maria-Magdalenen-Kirche der evangelischen Gemeinde“.
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