Zeitung 1956 - Freunde und Förderer der Ev.-Luth. Kirche in Lauenburg/Elbe e.V.

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Zeitung 1956

Welche Form für Lauenburgs Kirchturm?

Vorschläge des Architekten Ulrich Flörke /
Viele Möglichkeiten eröffnen sich /
Die Kosten sind von entscheidender Bedeutung
Lauenburg. Vor einiger Zeit brachten wir Fotos von Modellen für den neu zu erbauenden Lauenburger Kirchturm, die von dem Holzbildhauer Wichmann stammten. Ebenso wie die Modelle waren einige Entwürfe des Architekten Ulrich Flörke im Vorraum der Kirche ausgestellt. Pastor Bahr wird bald in unserer Zeitung über den Stand der Bauplanung berichten.

Die hier vorliegenden Zeichnungen sind aus einer großen Reihe von „Versuchen“ ausgewählt worden. Hier nun einige erklärende Worte des Architekten zu den abgebildeten Entwürfen:

Der alte Turm ist wohl noch genügend in Erinnerung, so daß er hier zum Vergleich nicht besonders gezeigt zu werden braucht. Er erscheint unbedingt zu hoch, wenn man ihn neben seiner Umgebung sieht, sogar für sein eigenes Kirchenschiff ist er in den Proportionen nicht ganz passend. Dieses wäre nicht zuletzt ein Grund, weshalb die Turmspitze seinerzeit abgetragen wurde. Aber es ist nicht Grund genug - denn ein anderes schweres Argument steht dagegen. Das Stadtbild von der Elbseite her gesehen ist durch die lange Spitze unbedingt belebt und bereichert. Vom Strom oder vom jenseitigen Ufer oder gar von der Brücke aus, den Plätzen, von denen aus Lauenburgs Unterstadt betrachtet, gemalt und fotografiert wird, war die alte Turmspitze das beherrschende Moment, in Traufhöhe schon den Horizont durchschneidend und mit der wuchtigen Spitze den weichen, von Baumkronen und Dachfirsten der Oberstadt gebildeten Linien einen festen Haltepunkt oder gar eine Krone gebend.
Diesen Widerspruch durch einen Kompromiß zu schlichten, versucht die erste Zeichnung. Die Spitze ist einfach sieben Meter niedriger. Die alten Turmgiebel bleiben dabei voll erhalten.
 
Nummer zwei zeigt noch eine kleine architektonische Spielerei, doch soll man mit Zierrat etwas vorsichtig sein. Der Turmschaft ist bis zur Giebelspitze glatt hochgemauert ohne innere Veränderungen.

Das dritte Bild beginnt mit der Traufe in gleicher Höhe wie das vorige, doch ist die ganze Dachfläche nur aus einfachen geometrischen Formen zusammengesetzt.

Die letzte Abbildung wäre eine Möglichkeit, den Turm mit dem Kirchenschiff maßlich abzustimmen. Wir haben hier im Kreis mehrere Kirchen, die mit dem schlichten Zeltdach auf quadratischem Turmsockel eine durchaus saubere und eindrucksvolle Note zeigen. Hierzu müßte allerdings der Glockenstuhl abgetragen werden, auch wären nur an zwei Seiten Uhren unterzubringen.

Das ganze Bauvorhaben soll einschließlich einiger technischer Neuerungen im Innenausbau des oberen Turmteiles etwa 35 000 DM kosten, mit Kupferdach (schön wär's) etwa 20 000 DM mehr.

Lauenburgische Landeszeitung, 20. Oktober 1956

Wilhelm Hadeler spricht vom
Neubau des Kirchturms
Gedanken zu den bisher bekannten Entwürfen
L a u e n b u r g. In allen Kreisen der Lauenburger Bevölkerung wird in den letzten Wochen diskutiert, wie ein neuer Turm der Maria-Magdalenen-Kirche aussehen soll. Verschiedene Vorschläge wurden gemacht. Ein Fachmann und Heimatforscher, Wilhelm Hadeler, nimmt im nachstehenden Beitrag dazu Stellung. Besonders wertvoll sind die grundsätzlichen Gedanken über das Einfügen des Turmes in das Stadtbild.

Es ist sehr dankenswert, daß die Frage einer eventuellen Neugestaltung unseres Kirchturms jetzt in aller Form zur Erörterung gestellt worden ist, wenn auch gegenwärtig noch nicht an die Verwirklichung etwa dabei zustande kommender Pläne gedacht werden kann. Und noch dankenswerter ist es, daß die Lauenburgische Landeszeitung die Erörterung mit der gleichzeitigen Wiedergabe - einiger Prinzipskizzen einleitete, so daß man auch aus der Ferne und als Außenstehender der genau weiß, was an Möglichkeiten etwa in Frage kommen könnte. Damit sind erst einmal greifbare Unterlagen für jeden Interessierten gegeben.
Alter Turm kein Ideal
Nach Abbruch des ganz alten Turms, 1902, der schon in der Topographie von Schröder und Biernatzki als „nicht sehr ansehnlich“ bezeichnet wird, verfiel man in das entgegengesetzte Extrem einer übertriebenen Aufdringlichkeit. Der neue Turm paßte weder zum Kirchenschiff noch besaß er ein richtiges Verhältnis zum Straßen- und Stadtbilde Lauenburgs. Daß er außerdem in stilistischer Hinsicht sehr wenig gelungen war, lag weniger an dem Können und Wollen der s. Z. Verantwortlichen als vielmehr an der nahezu absoluten Stillosigkeit der Zeit um die Jahrhundertwende. Es ist darum kaum als unmittelbarer Vorwurf zu werten, sondern es müßte unserer Zeit den Anreiz bieten, nun aus dem Gegebenen mit allen verfügbaren Mitteln etwas zu schaffen, das wirklich besser ist.

Unbestreitbar war der Turm von 1902 in der Form, die er bis 1945 besaß, eine weithin sichtbare Landmarke. Als solche war er auch im Stadtbilde, wenn man von unterstrom sich der Stadt näherte, oder von der Auewiesenspitze bei auch gerade noch zu ertragen. Dagegen zerriß er die Silhouette des Hochufers, wie es sich von Süden her dem Blick darbot, weil sein mit Glanzziegeln gedeckter Helm allzu aufdringlich über die bewegte Kontur hinausragte und dadurch ebenso unschön wirkte wie einige hohe Fabrikschornsteine. Im Straßen- und Stadtbilde Lauenburgs wirkte er in jedem Falle als störender Fremdkörper, besonders in all' Bildern, die man beim Hineinblicken in das sich zur Elbe erweiternde Tal des Hohlen Weges sah. Er war dem Kirchenschiff gegenüber zu schlank, sein niemals patinierender Helm wirkte unschön aufdringlich, und die Baukastenornamentik der vier Giebelfelder störte nur deswegen nicht allzu sehr, weil sie niemand aus der Nähe zu sehen brauchte. Aber all' diese Dinge sahen wir Lauenburger kaum noch oder nicht mehr. Wir hatten uns daran gewöhnt, aus dem natürlichen Stolz auf den neuen Turm, der zu Anfang dieses Jahrhunderts erbaut worden war, und es ist ja so, daß Gewöhnung mit der Zeit selbst über ausgesprochen unschöne Bilder hinwegsehen lehrt und sie liebgewinnen läßt.
Zwei Grundbedingungen
Aber dieser Turm hat seinen Helm jetzt nicht mehr, und es gilt, nun einen Weg zu finden, der für eine hoffentlich bald mögliche Neugestaltung die Nachteile der früheren Form vermeiden oder wenigstens vermindern kann. Dabei ist die Kostenfrage zweifellos ein wesentlich mit entscheidender Faktor, der einer wünschenswerten Vollkommenheit u. U. sehr hinderlich im Wege steht. Innerhalb der damit gezogenen Grenzen kommt es deshalb auf die geschickte Erfüllung zweier Forderungen an: 1. Die neue Form muß in baulich ausgewogenen Verhältnissen zum Kirchenschiff stehen, denn Kirche und Turm sind organisch zusammengehörende Elemente. 2. Muß die neue Form sich ausgewogen in das Stadt- und Straßenbild einfügen.
Bisherige Vorschläge
Beide Forderungen lassen mir den Vorschlag des Bildhauers Wichmann (Lauenburgische Landeszeitung vom 27. Oktober) als nicht ausreichend erscheinen, obgleich er den sehr bemerkenswerten Gedanken eines Turmumganges enthält. Die „dünne“ Spitze würde besonders vor dem Hochufer zu nadelartig wirken. Aber eine richtige „Spitze“ muß der Turm wieder haben, das ist ein aus vielen Meinungen herausklingender und aus der örtlichen Tradition auch durchaus berechtigter Wunsch. Es kommt nur darauf an, wie man sie gestaltet.
Giebel müssen fort
Aus rein architektonischen Motiven dürfte schon jede Lösung zu begrüßen sein, die die Giebel, in denen heute die Ziffernblätter der Uhr sitzen, beseitigt. Sie sind für einen Menschen mit nur ganz bescheiden geschultem Geschmack unerträglich. Der eine Vorschlag des Architekten Flörke mit den vier Ecktürmen wirkt verspielt und paßt gar nicht zu der schlichten räumlichen Wirkung des Schiffes. Gegen den Flörkeschen Vorschlag drei ist einzuwenden, daß die achteckige Spitze eine recht verwickelte geometrische Gestaltung verlangt und dabei doch einen für das hinter der Kirche liegende Hochufer zu dünnen Oberteil ergibt.

Die zweifellos glücklichste Formlösung bietet der Vorschlag vier mit dem schlichten vierseitigen Zeltdach. In der dargestellten Form paßt dieser Turm ausgezeichnet zum Schiff, doch müßte er höher sein. Er würde auch kaum viel verlieren, wenn man, um Platz für die Ziffernblätter der Uhr zu gewinnen, ihn etwas erhöhte. Oder könnte man vielleicht dadurch die unbestreitbar notwendigen Ziffernblätter nach allen vier Turmseiten schaffen, daß man sie in entsprechende Dachgauben hineinsetzte? Das Zeltdach ließe sich mit Ziegeln decken. Ob ein Kupferdach bei dieser Form zu empfehlen ist, erscheint fraglich. Das wäre bei einer höheren, schlankeren, Spitze angebracht und könnte äußerstenfalls sogar die alte Form (Flörkescher Vorschlag eins) merklich erträglicher machen.
Noch mehr Rücksicht
Wenn eines Tages ein oder einige Entwürfe ernsthaft für eine Ausführung geprüft werden müssen, ist es dringend erwünscht, daß diese Projekte nicht nur im Zusammenhang mit der Kirche an Zeichnungen und eventuellen Modellen geprüft werden. Dann müßte man auch die wichtigen Stadt- und Straßenbilder einmal mit Eintragung der in Frage kommenden Lösungen kritisch zu beurteilen versuchen.

Es wird wahrscheinlich vollständig ausreichen, wenn in solchen Skizzen nur die wesentlichen Umrisse und Formen wiedergegeben werden, die in jedem Falle die Umgebung und die Maßstäbe für die neue Ausführung bilden. Sie werden das Verhältnis zwischen Turm und Schiff auch dem Laien deutlich vor Augen führen, sie werden das Bild der Stadt mit dem Turm, wie man es vom Schloßgarten aus, von den Anlagen auf dem Platze des ehemaligen Kornhauses und gegebenenfalls auch von den Gärten an der Grünstraße usw. sieht, zeigen und ein Urteil gestatten, ob die neue Lösung wohl ausgewogen ist oder ob sie wieder unharmonisch wirkt. Eine Prüfung der Wirkung von Hohnstorf, von der Brücke und von unterstrom her würde zusammen mit dem Blick aus dem Hohlen Weg (etwa von einem Standpunkt vor dem Grundstück Nr. 7 her) dann auch die letzten Zweifel über die richtige Gestalt beheben.
Lauenburg wird es schon schaffen
Wir müssen uns darüber klar sein, daß dieser Bau vielleicht die schwierigste Aufgabe in dem ganzen Wiederaufbau unserer Stadt nach dem 2. Weltkrieg darstellt. Denn der Turm ist nun einmal ein maßgebendes Element im Bilde Lauenburgs. Zu schwer ist die Aufgabe nicht für die heutigen Bewohner der Stadt, denn was beim Wiederaufbau und beim Neubau bisher geleistet ist, verdient in vielen Fällen höchste Achtung.

Um nur ein paar Beispiele zu nennen: Die Elbstraße beim Dampferplatz hat zwar nichts mehr von der früheren malerischen Enge, die sogar einen Professor Kallmorgen zu einer Federzeichnung veranlasst hat, aber sie gibt ein Straßenbild, das das erhaltene Alte und Neues zu einer großartigen Einheit mit dem Elbufer verschmilzt. Man betrachte weiter die sehr gelungene Lösung der Durchbruchstraße vom Platz des ehemaligen Kriegerdenkmals her, oder man mache sich einmal klar, wie ausgezeichnet die neue Schule auf dem Hasenberg in die Landschaft an dieser sehr empfindlichen Stelle eingefügt ist. Wenn solche Leistungen in Lauenburg möglich gewesen sind, - und wieviel sachlich kleinere aber an ihrem Platz kaum weniger bedeutende kommen noch dazu - dann muß es auch möglich sein, eine wirklich gute Lösung für den Wiederaufbau des Kirchturms zu finden.

Lauenburgische Landeszeitung, Oktober 1956

Wer war Wilhelm Hadeler? Erfahren Sie mehr beim Heimatbund und Geschichtsverein, www.heimatbund-lauenburg.de/hadeler.html
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